Police Reunion

Sep
16
2007
Geneva, CH
Stade De Genevewith Fiction Plane
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The Police spielen gegen sich selber...

Mit ''The Police'' ist das so eine Sache.

Einerseits kann man ihnen einige wichtige Verdienste um die Entwicklung der Popkultur nicht absprechen; andererseits bleiben Dünkel, die vor allem den Ansatz und Zugang des Trios, sowie die ein wenig ekelige Gutmenschen-Superstar-Nachkarriere von Sting betreffen.

Einerseits könnte man glauben, dass gerade wieder heute, wo es doch einige Gitarrenbands gibt, die zumindest Anklänge an alte Police-Sounds nehmen, ein Zeitfenster für eine Neubewertung oder Neuentdeckung offen wäre, andererseits ist so eine (auch bereits wieder) klassische Abcasher-Comeback-Tour dann auch wieder ein Verhinderer.

Ganz wie früher: The Police immer im einerseits-andererseits Diskussions-Strudel. Nur einen Unterschied gibt: im Alter werden die Konturen deutlicher.

Das Konzert, gestern Abend in der Wiener Stadthalle, hatte wenig Sinn. Die tausenden Menschen, die gekommen waren um sich Erinnerungen bestätigen zu lassen, waren mit den geschönten Variationen der alten Hits hochzufrieden, aber denen hätte (wir erinnern uns da an andere, höherqualitätsvolle Reunions wie die der Velvet Underground oder von Roxy Music) wohl auch eine elegant gefurzte Version von Roxanne-Begeisterung abgenötigt.

Die wenigen jüngeren waren von den in der Hit-Disco abgefeuerten 80er-Jahre-Fetzern angelockt worden und bekamen einen vollfitten Sting (mit neuer Muskelmasse) einen deutlich gealterten Stewart Copeland (der keine Kraft mehr hatte, neben dem Schlagzeug-Spiel auch noch die zweite Stimme anzubieten, die kam vom Band) und den immer schon maulfaul-reduziert seine sphärischen Flächen hineinwerfenden Andy Summers zu sehen (naja, meist eh nur über die Vidi-Walls) und zu hören (in der üblichen Stadthallen-Mindestleister-Qualität).

Zu ihren Hoch-Zeiten Anfang der 80er war es das energisch nach vorne preschende Zusammenspiel dieser drei simplen Elemente, die sich wie Wasser, Erde und Feuer zu einem Spektakel verbanden und mit ihrer unverschämt schlauen Mischung aus Postpunk, Powerpop und Reggae-Elementen, die das Projekt Police eine Zeitlang umumgehbar und unbesiegbar machte.

Auch wenn man ja wusste, dass die drei keine Schulfreunde waren, die sich ihre Griffe im Probekeller erarbeitet hatten, sondern ein Jazzer aus Newcastle, ein Ami-Session-Drummer mit Biz- und CIA-Anbindung und ein versponnener Gitarrist aus dem Avantgarde-Umfeld von Soft Maschine.

Drei Profis, die sich mit einer Idee und der Maxime ''Let's make lotsa money!'' verabredet hatten.

Das kann man nun für so unsympathisch und so uncool erklären, dass man sich nicht mehr mit The Police auseinandersetzen muss. Und es gibt vieles, was dabei auch noch hilfreich unterstützt: die Lehrerhaftigkeit des Exlehrers Gordon Sumner (=Sting), die bildungsbürgerliche Betulichkeit einiger Lyrics und anderes mehr.

Andererseits waren es The Police, die dem rein modischen Einsatz des neu entdeckten Reggae-Sounds im Mainstream-Pop der Anfangs-80er einen draufsetzten.

Es war Sting, der die radikale Form des Dub einbrachte, damit herumspielte, auf den Alben und dann auch bei Live-Konzerten. Die Police-Buben schickten die Sting ''Iih-Ohoho!''-Stimme, sein Bassflattern und ein paar Zischlaute durch die Echokammern und ließen sie nicht nur Räume sondern ganze Stadien füllen. Das war ein veritabler Verdienst, das brachte ein neues Sound-Bewusstsein in die Popmusik ein. Und das trotz rockistischer Gegenstimmen, die sowas für unmännlich oder schwul halten (und immer noch halten, die Trottel-Puristen sterben ja nicht aus).

Und da ist es mir dann auch ehrlich gesagt wurscht, ob das jetzt ein böser Jazzer macht, um Distinktions-Punkte zu gewinnen.

Dass Sting und auch Copeland keine wilden Punks, sondern nur böse Jazzer mit einem cleveren Plan waren und sind, das zeigt sich in einer Alters-Vorstellung wie dem gestrigen Konzert dann eh umso deutlicher.

Stücke, die sie früher als wilde spiky-haired Schnellschüsse wie Sternschnuppen in die Umlaufbahn geschossen hatten, kamen jetzt mit ein wenig Bauch und auf gmiatlich daher, 'Driven To Tears' oder 'Truth Hits Everybody' mussten sich dergestalt lächerlich machen.

Einzig bei 'Every Little Thing She Does Is Magic' spielte Summers eine Gitarren-Figur, die darauf hinwies, wo er ohne Police gelandet wäre: Im Gitarren-Wundergarten direkt neben Robert Fripp. Allerdings zerstörte er dann diese kurzen guten Eindrücke durch das Entsetzen namens Solo, dem Alptraum jedes rechtschaffenen Post-Punks.

Mir haben The Police als Band nie wirklich etwas bedeutet - ich hab diese kurze Phase rund um ihre triumphale US-Tournee und dieses NME-Cover, als sie für ein paar Monate die größte Rockband des Planeten waren, aber nicht in schlechter Erinnerung: Sie verstanden es zu irrlichtern, und das passiert eh nicht oft genug.

Die ganz kurze Zeit, als sie mich dann in ihrer düsteren Phase knapp vor Schluss und dann auch mit dem letzten Album (als Sting schon dampfende Klugscheißerei betrieb, das aber raffiniert verkauft hat) quasi lebensphasenmäßig interessiert haben, war das auch keine Bauch-Beziehung. Ich hab zwar erstaunlich viele Texte, vor allem von der 'Synchronicity', noch teilgekonnt, aber so richtig nah am Herzen, nein...

Das hat der spätere, ganz entsetzliche künstlerische Weg von Sting, dieses ''Weltretten mit fadem Barjazz für fade Erwachsene''-Paket (das sich allerdings so jammervoll wenig vom ''Weltretten mit fadem Barjazz für fade Erwachsene, die sich für Rebellen halten''-Projekt das in ungenannt bleiben wollenden Regionen von Post-Mods stattfand, unterschied) dann eindrucksvoll bestätigt.

Seither, seit dem Ende von Police, konnte man sich allerdings nie sicher sein, was denn gewesen wäre wenn. Dieses dumme Spiel mit den ''Was wäre wenn sich die Beatles nie getrennt hätten'', ''wenn Hendrix/Cobain überlebt hätten'', ''wenn Marley keinen Krebs gehabt hätte''-Fragen.

Es wäre kaum etwas davon würdig oder würdevoll gewesen, im Gegenteil.

Und das, was The Police gewesen/worden wären, wenn sich Sting nicht in seine Society-Solorolle gedrängt hätte, hat man jetzt endlich gesehen: eine hocherwachsene, technisch interessante, vom Drive und Vibe aber komplett wertlose jäzzlerische Version dessen, was einstmals frisch und mit ein paar Widerhaken daherkam.

Man verdrängt und verharmlost das nicht so supere vom früher ja eh allzu gern. Insofern ist es dann auch recht gut, wenn immer wieder ein paar alte Seppeln vorbeikommen und den eigenen Mythos kaputtspielen, und denen, die offenen Auges sind, die aufgeladenen Projektionen runterreißen.

(c) ORF.at
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